Samstag, 19. November 2016

Die "Befreiung"

Ein Gastbeitrag von Bo, dem Hauptmann Belnends, der dieses Kapitel aus seiner Sicht erzählt:

Die Situation war kompliziert wie sie nicht hätte komplizierter sein können. Nachdem die Friedensgespräche so gute Fortschritte gemacht hatten und die Beziehungen gerade zu Fensalir wie eine zarte Pflanze wieder aufzublühen begannen, war die dem Dorfjarl Aegir nahestehende Frau ausgerechnet in Belnend entführt worden. Was nun tun? Die Armee nun für den Feind von gestern einsetzen? Das würde nicht leicht zu vermitteln werden. Aktuell waren die meisten Krieger Belnends eh in einer groß angelegten Übungsmission unterwegs. Es musste eine kleine Lösung her. So wie früher. Verwegen rein, alles umhauen und mit Beute raus. War das doch schon lange nicht mehr die übliche Praxis, aber mir einem Räuber an der Seite wie Aegir könnte es doch glücken. Irgwendwie hatte die Idee was.

Aegir hatte den Priesterkönigen sei Dank Informationen mitgebracht wo die arme Frau festgehalten sein könnte. Ein kleines Bergcamp in Siba sollte es sein. Die Gegend war mir durch einige Einsätze halbwegs bekannt. Dieser Umstand half uns trozdem kaum. Es waren wie immer die Details die störten. Hier und da neue Sichtbehinderungen, eine scheinbare neue Sumpflandschaft, die wir großräuming umgingen. Wie Halbwüchsige stolperten wir an das Camp heran. Immerhin haben wir das Camp gefunden. Gesichert war es durch ein normales Holztor und offensichtlich war das Lager nur schwach besetzt.

Von hier an waren Aegir und ich im Element und hellwach. Wir verständigten uns nur durch knappe Zeichensprache. Kurze Andeutungen reichten und wir verstanden uns wie ein eingespieltes Team. Die Wache des Lagers war schnell ausgeschaltet und genausoschnell in Seilen verschnürt. Mit einem Dietrich zur Hand war das Tor schnell geöffnet und wir schlichen uns in dem Lager zügig voran. Uns selbst immer in Sichtkontakt haltend war es ein Paradebeispiel an erfolgreicher Taktik. Vermutlich würden wir Saria mit geschundenem Körper an einem Holzkreuz vorfinden. So schwebte es mir vor.

Lichtschein und prasselndes Feuer drang aus einer Höhle, die unsere Aufmerksamkeit erweckte. Bedächtig schlichen wir uns heran. Die Augen brauchten eine gewisse Zeit bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Da war sie zu sehen. Nicht gefesselt, sondern gemütlich sitzend. Nicht leidend, sondern einen Kater kuschelnd. Essen und Trinken in erreichbarer Nähe. Wir guckten uns in Verblüffung an und relativer Fassungslosigkeit an. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Ich zeigte einen rotierenden Zeigefinger an die Schläfe haltend was Aegir immerhin mit einem Schulterzucken für möglich hielt. Wir machten einen Schritt seitlich hinter den Eingang und sprachen unser Vorgehen ab.

Mein Vorschlag ihr mein Hemd über den Kopf zu schlingen, sie in der Überraschung zu fixieren und dann zu zweit aus dem Camp zu tragen, fand schnell Aegirs Zustimmung. Wer wusste schon was gerade in ihrem Kopf vorging, war sie unter Drogeneinfluss, war sie wohl soweit sich nun den Wilden mit freiem Willen anzuschließen? Wer wusste das schon, so konnte es nur eine Maßnahme auf Nummer sicher geben. Wieder wendeten wir uns Saria zu während ich mir schon mein Hemd über den Kopf zog und es mit den Fingern sortierte um es ihr als Überraschungsmaßnahme über den Kopf zu stülpen. Aegir verfolgte das Geschehen sehr genau. Zu genau wie sich kurze Zeit später noch herausstellen sollte.

Nahe genug an Saria rangekommen stülpte ich mein Hemd über ihren Kopf und hielt sie von hinten fest. Aegir sprang aus seinem Versteck hervor und wollte sich mit bereit gehaltenen Seilen um Saria's Ruhigstellung kümmern, als dann für uns völlig unvorbereitet von hinten eine Wilde angriff. An der Stelle war jede an den Tag gelegte Professionalität wieder erledig. Ohne eine Absicherung nach hinten haben wir uns nieder machen lassen. Die blonde Wilde, die man als Arella später bezeichnete schlug sofort auf Aegir ein. Immer wieder. Mir blieb nichts übrig als Saria loszulassen und mich um die Angreiferin zu kümmern. Der Kampf zog sich draußen dann noch eine kleine Weile hin, schließlich hatte ich etwas mehr Zeit mich auf den Angriff vorzubereiten. Aber die Jägerin konnte ihre Ortskenntnis deutlich besser nutzen und schließlich verlor ich die Besinnung.

Ich sah noch die Jägerin triumphierend auf mich zukommen, als mich dann eine gnädige Ohnmacht ersteinmal vor weiterer Demütigung bewahrte. Natürlich konnte ich das nicht gänzlich verschlafen. Irgendwann wachte ich in der Höhle streng gefesselt auf dem Boden liegend auf und war dann umringt von einer ganzen Reihe von Wilden. Jetzt brach langsam eine Welt zusammen. Die Stimmen der Anwesenden kamen mir bekannt vor. Und als ich ihre Gesichter sah hatte sich wohl jegliche Farbe von meinem Körper verzogen. Bleich wie eine Wand nahm ich nach und nach wahr, dass diese wilden Weiber in der Höhle die drei Frauen aus der Stadt waren. Die Frauen aus Ar, die sich glaubhaft als Töchter und Gefährtinnen von einflussreichen Leuten aus dem glorreichen Ar präsentiert hatten. Eine Welt brach gerade zusammen.

Meine Zurückhaltung war nicht nur darauf zurückzuführen, dass ich offensichtlich ein besiegter Feind war, sondern auch die Tatsache in so unglaublicher Art hinters Licht geführt worden zu sein ohne einen Schimmer oder Verdacht entwickelt zu haben. Wenigstens schien Saria nicht gänzlich auf Seite der Wilden zu sein. Immerhin sorgte sie sich offenbar um Aegir. Das war ein Lichtschimmer. Sie war nicht "umgedreht". Zu mir hielt sich die Sorge deutlich in Grenzen. Naja, irgendwo auch nachvollziehbar, nachdem ich sie kurz zuvor noch wie ein wildes Tier angefallen hatte.

Die Jägerinnen wollten uns beide offensichtlich nun wirklich an den Kragen. Die Blonde Jägerin gab sich entschlossen mich behalten zu wollen, während Saria aber begann sich auch mit Worten um Aegir zu bemühen. Ich realisierte nach und nach den Betrug der sogenannten Lady's denen Aegir und ich aufgesessen waren. Und als diese Shania dann dann auch noch damit prahlte dass wir an der Anlegestelle Belnends einen Koffer aus einem Schiffsrumpf für sie geklaut und diesen in die Stadt getragen hatten, musste ich die Augen schließen. Eine jetzt aufkommende Bewusstlosigkeit wäre eine große Gnade der Priesterkönige gewesen. Aber die kam natürlich nicht.

Es folgte eine kompromitierende Behandlung, in deren Verlauf ich meine Kleidung verlor. Immer wieder guckte ich wütend zu Saria hinüber zu deren Rettung wir hier her gekommen waren. Sie war Aegirs Auserwählte. Sie sollte seine Gefährtin werden. Es war ausgemacht, dass sie gleich nach der Befreiung in der Stadt zu freien Gefährten in einer kleinen Zeremonie erklärt werden sollten. Und was mussten wir vorfinden? Sie hat quasi in Milch und Honig gebadet und wir wurden hier am Boden durch den Dreck gezogen und das blanke Hinterteil malträtiert. Jedemfalls meins. Warum Aegir da verschont wurde, ist mir bis jetzt schleierhaft.

Irgendwann konnte ich dann auch einige milderne Umstände schildern und Aegir tat das seine mögliche. Was Saria den Jägerinnen zuflüsterte weiß ich nicht, aber wir durften dann alle gehen. Dankenswerterweise schnappte sich Aegir noch Reste meiner Kleidung und vor dem Tor des ungeliebten Camps zog ich mir dann was über und es ging aufs nächste Boot nach Hause.

Hier folgte dann in der Tat noch die ungewöhnlichste Gefährtschaftszeremonie meiner Geschichte.

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